Ein schönes Beispiel eines verunglückten Artikels liefert Wirtschaftsredaktor Andreas Valda am 31. Januar 2018 auf tagesanzeiger.ch ab. Die Arbeitgeber wollten den 17-Stunden-Tag, insinuiert Valda schon im Titel. Im Lauftext berichtet er über einen entsprechenden parlamentarischen Vorstoss des Aargauer FDP-Nationalrats Thierry Burkart. Um den Skandal noch etwas auszuschmücken, hat Valda natürlich mit allerlei Experten und Politikern gesprochen. Etwa mit Brigitta Danuser, Arbeitsmedizinerin der Universität Lausanne. Zitat Tagesanzeiger: „Wer 17 Stunden am Tag arbeite, sei ineffizient. «Ein Maximum liegt bei circa 12 Stunden. Darüber wird man langsamer, die Aufmerksamkeit lässt nach, Fehler häufen sich. Bei 16 Stunden erreicht man eine absolute Grenze», sagen Studien.“ –
Auch hier insinuiert der Artikel also, es gehe darum, 17 Stunden an einem Kalendertag zu arbeiten. Dass die Gewerkschaften ein solches Ansinnen natürlich bekämpfen würden, ist eh klar. Zitat Tages-Anzeiger: „«Es ist unverständlich, wie die Wirtschaftskommission eine skandalös radikale Initiative einfach durchwinkt», sagt Dossierchef Luca Cirigliano. Der SGB werde «Wildwest-Verhältnisse für Homeoffice-Arbeitnehmende bekämpfen».“
Aber worum geht es wirklich? Ausschluss darüber gibt am besten wohl der Text von Burkart selbst. Der schreibt, und das ist alles einfach nachzulesen auf der hervorragenden Homepage des Schweizer Parlaments.
Dort schreibt Burkart, dass die tägliche Zeitspanne, nicht die Arbeitszeit, von 14 auf 17 Stunden ausgedehnt werden solle für diejenigen, welche als Heimarbeiter/innen ihre Arbeitszeit weitgehend frei bestimmen könnten. Zitat Burkart: „Wenn die Arbeit um 7 Uhr aufgenommen wird, darf ab 21 Uhr nicht mehr gearbeitet werden. Einem Arbeitnehmenden, der um 18 Uhr sein Kind in der Krippe abholt, ist es daher nicht erlaubt, am Abend, nachdem das Kind ins Bett gegangen ist, beispielsweise noch dringende E-Mails abzuarbeiten. Dies erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für Arbeitnehmende, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen können, sollte sich der tägliche Arbeitszeitrahmen deshalb auf 17 Stunden erstrecken.“
Mit anderen Worten: Es geht also in keiner Art und Weise um 17-Stunden-Tage. Sondern darum, dass Home-Officers erlaubt werden soll, was sie eh‘ schon heute tun: Am Morgen, vor die Kinder aufwachen, zwei Stunden arbeiten, während dem Kindergarten vier Stunden arbeiten, und am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, noch einmal zwei Stunden arbeiten. So kommen sie auf einen 8-Stunden-Tag und haben gleichzeitig die Möglichkeit, die Kinder zu betreuen. Oder: Am Morgen früh vier Stunden arbeiten, dann einen schönen Wintertag auf der Skipiste geniessen, am Abend zunächst etwas entspannen und dann noch einmal hinter die Arbeit, um auf die 8 Stunden Arbeit zu kommen.
Stellt sich die Frage: Hat Journalist Andreas Valda überhaupt verstanden, worüber er da geschrieben hat? Es macht nicht den Anschein. Haben seine „Experten“ den Vorstoss von Burkart überhaupt gelesen? Haben sie ihn verstanden? Oder haben sie einfach mal „Skandal“ geschrien, im Wissen darum, damit ihren Namen und ihre Organisation in die Zeitung zu bringen und an der Empörungsbewirtschaftung teilzuhaben?
Notabene: Wenige Stunden nach dem TAGI ist auch der BLICK auf das Thema aufgesprungen. Aber auch der BLICK-Journalist Patrik Berger hat ganz offensichtlich den Vorstoss von Burkart nicht verstanden. Der verstorbene Medienwissenschafter Kurt Imhof nannte das „Rudeljournalismus“. Einer heult, die anderen heulen hinterher. Recherche? Fehlanzeige.
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