Die Woche schloss nach dem längsten Abstimmungskampf der jüngeren Schweizer Geschichte mit einem medienpolitisch wegweisenden Entscheid: 71 Prozent der Schweizer Stimmenden lehnen die „No-Billag“-Initiative ab. Sie hatte verlangt, dass in der Schweiz keine Empfangsgebühren vom Staat eingezogen werden dürfen. – Was viele als das Ende des öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehens in der Schweiz gesehen hatten.
Die Abstimmungsvorlage hatte vor allem deshalb stark mobilisiert, weil seit dem letzten Herbst und bis in etwa zwei Monaten vor der Abstimmung die Umfragewerte der Initiative gute Chancen eingeräumt hatten. Wie nach solchen Abstimmungen üblich empfanden sich am Ende alle irgendwie als Sieger. Die Initianten rühmten sich dafür, dass nur dank ihrer Initiative die „heilige Kuh“ Empfangsgeführen breit diskutiert worden sei. Die SRG-Gewaltigen kündigten an, trotz der gewonnenen Abstimmung den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden zu haben und ein einschneidendes Sparprogramm angehen zu wollen.
Was wiederum den Widerstand verschiedener Publizisten und der Mediengewerkschaft ssm provozierte, die mit dem deutlichen Resultat keinerlei Handlungsbedarf mehr sehen. Niklaus Ramseyer etwa findet auf INFOSPERBER.CH, die Abstimmungsverlierer seien „frech“ mit ihren Forderungen.
Was er und seine Mitstreiter vergessen: Ein beträchtlicher Teil der Nein-Stimmen dürften deshalb zustandegekommen sein, weil die Stimmenden keine Radikallösung à la „No Billag“ wollten, aber sehr wohl Reformen bei der SRG. Und darauf vertrauten, dass die Beteuerungen einiger SRG-Kader, die ankündigten, über die Bücher zu wollen, dann auch Realität würden. In diesem Sinne ist es nicht nur richtig, sondern ein Gebot der Stunde, jetzt nicht – wieder – überheblich zum Alltagsgeschäft überzugehen, wie die SRG das 2015 getan hatte, als ein letztes Plebiszit nur knapp zugunsten der SRG ausgegangen war.
Für die Zukunft der SRG stellen sich verschiedene Fragen: Zum einen muss in einer Zeit mit einem breiten Unterhaltungsangebot über verschiedene Kanäle neu ausgelotet werden, wie der Unterhaltungsauftrag der SRG zu interpretieren ist. Auch die Forderung aus der Konzession, die Verständigung über die Sprachregionen hinaus zu fördern, nimmt die heutige SRG so gut wie nicht wahr, existiert doch seit dem Verzicht auf die Übertragung der Miss Schweiz Wahlen kein einziges Sendegefäss mehr, das über alle Sprachregionen hinweg gemeinsam ausgestrahlt würde. Aber auch die Frage nach dem Umfang des Angebots muss neu ausgelotet werden. Dass auch die kleineren Sprachregionen wie die italienischsprachige Schweiz von der SRG bedient werden sollen, steht sicherlich nicht zur Diskussion. Ob aber das Tessin mit seinen 350’000 Einwohnerinnen und Einwohnern tatsächlich einen SRG-Ableger mit 1’000 Angestellten, zwei TV-Kanälen und drei Radio-Kanälen braucht, darf sehr wohl hinterfragt werden.
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