Der Regionalvorstand der SRG Deutschschweiz hat diese Woche entschieden, die Suche nach einem Nachfolger für SRF-Direktor Ruedi Matter an die Hand zu nehmen. Das ist eine gute Nachricht, und die Ankündigung war nötig, nachdem Matter vor einer Woche bei einer Personalveranstaltung Andeutungen machte, er könne sich ein Verbleiben im Amt auch über das Pensionierungsalter von 65 Jahren vorstellen. – Die Quittung folgte umgehend: Dok-Filmer Beat Bieri, selbst kurz vor der Pensionierung, rügte Matter im internen Blog scharf für seine Kommunikation und seinen Umgang mit den Angestellten, was prompt (und wenig erstaunlich) zu den Medien gelangte. 200 MitarbeiterInnen, so wurde kolportiert, hatten den geharnischten Kommentar von Bieri mit einem „Like“ versehen und Bieri damit unantastbar gemacht – in jedem anderen Unternehmen wäre er nach einem solche Akt der Illoyalität wohl geflogen.

Mit der Ankündigung von Matters Abgang gegen dessen Willen war das Kandidat/innen-Karrussel natürlich lanciert. Die Diskussion über mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger zeigt aber nur eins: Das wird schwierig. Eine der Parabili, die erst 38-jährige Ladina Heimgartner, die seit letztem Herbst als Stellvertreterin von SRG-Generaldirektor Gilles Marchand amtet und dazu seit August 2014 Direktorin des RTR ist, nahm sich noch am Wochenende in der NZZ am Sonntag aus dem Rennen. Ein kluger Akt. Denn obwohl die Bündnerin immer wieder als Favoritin der SRG bezeichnet worden war. Bei Lichte besehen dürften 4 Jahre Führungserfahrung in einem Betrieb mit 125 Vollzeitstellen und 25 Millionen Franken Jahresbudget doch noch eher ein dünner Rucksack sein für die Führung eines Hauses mit über 1’200 Angestellten und 525 Millionen Franken Jahresbudget. Kommt hinzu, dass auch die Vielfalt der Formate, welche das rätoromanische Radio und TV pflegen, nur einen kleinen Ausschnitt dessen umfasst, was beim „grossen Bruder“ gepflegt wird. Zudem ist die Ausstrahlung von Heimgartner zwar jugendlich und frisch, ob sie sich damit aber im Narzistenheim am Leutschenbach hätte durchsetzen können, muss wohl eher kritisch beurteilt werden. Dass sie diese Punkte wohl selbst erkannt hat, spricht wiederum für sie.

Bleibt, wie auch die NZZ erkennt,  Nathalie Wappler. Die in St. Gallen geborene Journalistin arbeitet zur Zeit in Halle als Programmdirektorin für den MDR (Mitteldeutschen Rundfunk), wo sie mehrere Radioprogramme, aber auch beispielsweise auch einen Rundfunkchor und ein Orchester führt. Wappler hatte bereits von 2009 bis 2016 für die SRG gearbeitet, hier allerdings praktisch immer im Kulturbereich. Wappler hat aber durchaus auch Erfahrung im politischen Journalismus: So war sie zu Beginn ihrer Karriere Redaktorin beispielsweise bei MAYBRIT ILLNER, der wöchentlichen Talkshow des ZDF. Wappler dürfte, mehr als viele andere Kandidatinnen und Kandidaten, das Rüstzeug mitbringen, um sich auch in konfliktgeladenen Umfeldern durchsetzen zu können, hat mit 50 Jahren die nötige Lebenserfahrung und die natürliche Autorität, welche die Funktion verlangt. – Dass darüber hinaus der Frauenbonus von Vorteil sein dürfte, ist ein offenes Geheimnis, wie die Diskussion zeigt.

Ansonsten sind ernsthafte Kandidaturen kaum auszumachen. Eher in die Rubrik „Belustigendes“ dürfte der Versuch von BLICK fallen, die Moderatorin und Redaktorin Susanne Wille für das Amt zu portieren – und das, obwohl Wille über keinerlei Führungserfahrung verfügt – bei einer Absage Willes wäre dann wohl Christa Rigozzi die nächste Kandidatin der Boulevardzeitung. Der amtierende Chefredaktor Tristan Brenn hat genau so wenig das Format für den Job wie Geschäftsleitungsmitglied Hansruedi Schoch, der gegenwärtig als „Leiter Programm“ fungiert. Bliebe der frühere ARENA-Moderator und heutige TAGESSCHAU-Chef Urs Leuthard. Ihm fallen viele Attribute zu, die der Job verlangt: Leuthard hat als TAGESSCHAU-Chef und ehemaliger Redaktionsleiter der ARENA die nötige Führungserfahrung, ist in der Politik bestens bekannt (und auch ernsthaft und unparteiisch geschätzt) und hat durch seine Moderationstätigkeit auch bereits eine Bekanntheit bei der Bevölkerung. Allein: Leuthard ist mit Medienministerin Doris Leuthard verwandt – sie ist seine Cousine. Und ein SRF-Direktor, der mit der Medienministerin des Landes blutsverwandt ist, wäre wohl keine gute Voraussetzung. Der Weg für Leuthard könnte allerdings dann frei werden, wenn Bundesrätin Leuthard endlich umsetzt, was sie schon vor einem halben Jahr versprochen hatte und von ihrem Amt zurücktritt.

Auch Kandidatinnen und Kandidaten von aussen sind schwierig auszumachen, auch wenn viele publizistische Beobachter sich einen oder eine solche wünschen würden. Für viele von ihnen hatte die aufreibende Debatte rund um die „No Billag“-Initiative aufgezeigt, dass bei SRF dringend neue Ideen und Ansätze gefragt wären, solche aber aus dem Inneren von SRF nicht zu erwarten sind. Bei den Verlagshäusern sind keine publizistischen Persönlichkeiten auszumachen, welche den Anforderungen an den Posten genügen könnten. Der einzige, der noch ins Spiel gebracht werden könnte, wäre der Chefredaktor der AZ Medien TV-Sender, Markus Gilli: Er hatte viele Jahre Radio 24 geleitet, bevor er 1999 Programmleiter und Chefredaktor von Tele Züri wurde und seit 2014 jetzt auch  Chef über Tele M1 und TeleBärn ist. Allerdings ist Gilli 62 Jahre alt, Meister der theatralischen Selbstinszenierung und mehr Programmmacher als Manager. Mit der Führung eines Hauses von der Grösse eines SRF wäre er überfordert.

Als bitteres Fazit bleibt: Die Schweizer Medienlandschaft gibt gegenwärtig kaum eine Persönlichkeit her, die als SRF-Direktor/in die nötigen Erfahrungen, Management-Kompetenzen und eine gewisste Ausstrahlung oder Charisma mitbringt. Weil die SRG nach wie vor eine Grösse und Struktur aufweist, die in der privaten Medienlandschaft der Schweiz kein Pendant kennt, wird eine Einwechslung eines rein externen Kandidaten auch in Zukunft Utopie bleiben. Die SRG wäre deshalb in der Pflicht, endlich eine Karriereplanung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu etablieren, die zunächst Führungspotentiale identifiziert und diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann gezielt in Führungsfragen fördert und es Ihnen ermöglicht, über verschiedene hierarchische Stufen die Führungserfahrung zu erhöhen. Ein solches Führungsentwicklungs-Konzept ist bislang von aussen betrachtet nicht ersichtlich. Was wohl insbesondere der Tatsache geschuldet ist, dass bei der Zusammenführung von Radio und Fernsehen unter der Direktion von Ruedi Matter vor allem zählte, für die bisherigen Kader irgendwo ein neues Plätzchen zu finden. Was daraus resultierte waren nicht nur viele Fehlbesetzungen, sondern ebenso wirre Organigramme und Strukturen, wie ein Blick in das Organigramm von SRF zeigt. Hier Ordnung zu schaffen, wäre eine grosse Aufgabe für eine neue Radio- und TV-Direktorin. Aber wer hat die Kraft, das zu tun?