Verleger zu sein ist nicht einfach ein Job. Und ein einfacher schon gar nicht. Steven Spielberg hat es eben deutlich aufgezeigt, in seinem Werk „Die Verlegerin“. Mustergültig zeigt er dort auf, wie die ehemalige Washington Post-Verlegerin Katherine („Kay“) Graham um ihre Position ringt, als Ihr Chefredaktor die „Pentagon Papers“ publizieren will – Akten, die belegen, dass verschiedene amerikanische Regierungen, mithin „das Establishment“, die Bevölkerung über Jahre belogen hatte. Graham, als Unternehmerin selbst Teil des Establishments, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob sie tun lässt, was Aufgabe der Medien ist und publiziert. Oder ob sie ihre Freunde im politischen System schützt, indem sie auf eine Publikation des Polit-Skandals verzichtet. Sie entscheidet sich für die Publikation und gegen ihre Freunde. Und macht sich mit dem Entscheid unsterblich.

SÜDOSTSCHWEIZ-Verleger Hanspeter Lebrument hat letzte Woche den anderen Weg beschritten. Der Verleger hat sich auf über 6700 Zeichen in seiner eigenen Zeitung gegen die Weko-Untersuchung zum Bündner Baukartell gewandt. Sekundiert von seinem heutigen Geschäftsführer Masügger, der in der selben Ausgabe der Zeitung Verständnis zeigt für das rechtswidrige Verhalten der Bündern Baumafia. Da schreibt Lebrument zum Beispiel wörtlich: „Die Weko hat in enger Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Onlinemagazin «Republik» – das den Lesern neue und bessere journalistische Qualitäten anbieten soll – den Bündner Wahlkampf für Regierung und Parlament vom 10. Juni aufs Schwerste gestört und beschädigt. Eine grosse Zahl schuldloser Bündnerinnen und Bündner sind in eine Affäre gezogen worden, mit der sie gar nichts zu tun haben.“

Gerade und insbesondere dieser letzte Satz zeigt, dass Lebrument sich – anders als Graham – auf die falsche Seite stellt. Zunächst ist der Satz natürlich inhaltlich sinnlos ist – aber man solche von einem Verleger nicht die gleich‘ hohen journalistischen Standards verlangen, denn Journalismus ist ja nicht sein Kerngeschäft: Es geht nicht in der Sache ja weniger um Schuld, sondern um Verantwortung für eigenes Verhalten oder solches einer Branche, die man repräsentiert. Richtig schlimm sind dann die weiteren Anwürfe Lebruments, etwa wenn er schreibt: „Es muss zudem eine bindende Erklärung geben, warum ein solch schwerwiegendes Ereignis, das seit Jahren untersucht wird, sechs Wochen vor den Wahlen – und nicht zwei Wochen nach den Wahlen – von der Weko bekannt gegeben wurde.“ Lebrument fordert also unverhohlen, dass eine Behörde die Resultate ihrer Untersuchung, die einen der Regierungsratskandidaten in einem mehr als schiefen Licht erscheinen liess, hätte unter dem Deckel behalten sollen, bis der entsprechende von den unwissenden Bündnerinnen und Bündnern in Amt und Würden gewählt worden wäre?

Die Aussage von Lebrument zeigt: Er hat sich, anders als Graham, nicht auf die Seite seiner Kundschaft geschlagen, nämlich derjenigen Bündnerinnen und Bündner, die von den Medien eine kritische Begleitung der Machenschaften des (mutmasslich in einem beträchtlichen Ausmasse entweder naiv oder korrupten) Systems erwarten würden. Nein, Lebrument schlägt sich auf die Seite der Täter und jammert larmoyant: „Hier wurde – in enger Zusammenarbeit zwischen Weko und einem neuen Onlinemagazin – dem Kanton Graubünden, der in Schillerscher Manie zu einem Gaunerstaat erklärt wurde, hoher Schaden zugefügt.“ Es ist der Klassiker: Nicht die korrupte Bauwirtschaft hat einen Schaden verursacht, sondern diejenigen, welche die illegalen Machenschaften untersucht und publik gemacht haben. Lebrument schlägt gewissermassen den Sack und meint den Esel.

Dass ein Verleger sich auf  eine derart deutliche Weise auf die Seite des korrupten Establishments schlägt und damit gegen seine Kundschaft stellt, ist zwar ein besonders krasser Fall. Der Vorgang bestätigt indes, was viele Publizistinnen und Publizisten im Lande mehr oder weniger offen formulieren: Das Schweizer Mediensystem hat nicht zuletzt auch auf der Ebene der Verlegerschaften ein Qualitätsproblem. Im Falle Lebruments ist das insbesondere bedauerlich für die Journalistinnen und Journalisten der Somedia-Gruppe, welche während der letzten Woche einen guten Job gemacht haben.