Die Neulancierung eines Medientitels hat in der heutigen Zeit Seltenheitswert. Mit um so grösserer Spannung war deshalb in der Branche die Ankunft der REPUBLIK erwartet worden: einer Online-Plattform, die nichts weniger als die Neu-Erfindung des Journalismus versprach. So oder so ähnlich zumindest die vollmundigen Ankündigungen der beiden „Treibfedern“ der REPUBLIK, Christof Moser und Constantin Seibt. Immerhin, sie hatten es geschafft, das neue Online-Portal als Crowdfunding-Projekt aus dem Boden zu stampfen und schon einmal über 15’000 Interessierte zu finden, welche bereit waren, vorab ein Abonnement zu lösen (respektive „Verleger“ zu werden, wie die Promotoren sagen: Denn jeder Abonnent wird gleich als Verleger mit in die Verantwortung genommen). Die Plattform ist komplett werbefrei, was dem Anspruch der Unabhängigkeit sicherlich gut tut und die REPUBLIK damit von Anfang an praktisch über alle anderen Medientitel stellt; sogar das werbefreie SRG-Radio ist ja letztlich bei der Gebührenfestsetzung dem Bundesrat ausgeliefert und damit nicht ganz so unabhängig und frei, wie die SRG uns glauben machen will – aber das ist ein anderes Thema.

Nun denn, wer nicht sofort für 200 Schweizer Franken ein Jahresabo lösen will, kann sich auch erst mal registrieren und dann einige Artikel probeweise lesen – verspricht die Seite. Alleine, auch nach mehrmaligen (und überprüftem) Hinterlegen unserer E-Mail-Adresse passiert da gar nichts: Es wird zwar bestätigt, dass die Registrierung erfolgt sei, danach folgt dann weder eine E-Mail mit Links auf Probeartikel noch wären solche auf der Homepage freigeschaltet. Fazit: Kundengewinnung miserabel.

Wir entschliessen uns dann für ein Monatsabo, das man „jederzeit wieder kündigen könne“. So ist dann tatsächlich der Zugang freigeschaltet, und am nächsten Morgen erhalten wir sogar eine E-Mail mit einer Textempfehlung. Warum aber dort steht, der Artikel würde uns freundlicherweise von einem „Verleger“ gratis zur Verfügung gestellt, erschliesst sich genau so wenig wie der Hinweis am Ende des Textes, die REPUBLIK würde sich freuen, uns auch zu den zahlenden Verleger/innen zählen zu können. – Fazit: Offenbar haben die Macher noch nicht gecheckt, dass wir- und ja: mit derselben E-Mail-Adresse – unterdessen zahlende Monatsleser geworden sind. Fazit: Kundenbetreuung miserabel.

Nun mag man argumentieren, ein intellektuelles Publikum, auf das die REPUBLIK abziele, werde das verzeihen. – Man wird sehen. Fakt ist auf jeden Fall, dass die Macher, um die Kosten decken zu können, nach eigenen Angaben einen Abonnent/innen-Stamm von rund 25’000 Personen schaffen müssen. Das sind dann doch noch einige.

Kommt hinzu, dass die Berichterstattung über die REPUBLIK in den anderen Medientiteln der Schweiz eher knapp ausgefallen ist – vielleicht nicht sehr erstaunlich, wer will schon einer neuen Konkurrenz eine grosse Plattform geben? Immerhin hat das Projekt aber auch über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit erregt und sowohl in der FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) wie in der SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Erwähnung gefunden (beide Artikel online nicht verfügbar). Aber ob so die benötigte Leserschaft gefunden werden kann?

Die ersten Artikel auf jeden Fall haben keinen „Scoop“ beinhaltet, also einen Text, das man einfach lesen müsste oder der das Potential hätte, über die Community der REPUBLIK hinaus zu einem Nachrichtenthema zu werden. Politisch bezeichnet sich die REPUBLIK selbst als „liberal“ (so zumindest die Mediensprecherin Sugimoto, REPUBLIK-Gründer Seibt spricht an anderer Stelle davon, ein linksliberales Publikum ansprechen zu wollen). Ob sie dieses Versprechen einlösen kann, wird man sehen. Der Blick auf die Crew und die Autor/innen der REPUBLIK ist schwierig zu interpretieren: Da finden sich in der Wolle gewaschene linke Edelfedern genau so darunter wie bekannte Rechercheur/innen, aber auch Jungsters, deren Überforderung mit komplexen Zusammenhängen schon von verschiedenen Medienstellen mit Kopfschütteln bedacht wurde.

 

Weitere ausgewählte Berichte:

„Das bietet die Republik“ (Blattkritik von Tages-Anzeiger/Der Bund)

Ein erster kritischer Blick auf die junge «Republik» (Blattkritik in der Medienwoche)

Die Expedition in die Realität beginnt (Reportage von persoenlich.com)

So divers ist der Journalismus im Internet (Überblick über online-Journalismus in der NZZ)