Seit mehr als einer Woche gibt eine Ausgabe der Talksendung SCHAWINSKI zu reden. Der in die Jahre gekommene Talkmaster hatte eine professionelle Prostituierte unvermittelt gefragt, ob sie als Kind sexuell missbraucht worden sei.

Um präzise zu sein, denn Präzision spielt in dieser Geschichte eine entscheidende Rolle: Roger Schawinksi fragte die Escort-Dame: „Sie würden es auch nicht sagen, wenn es so wäre.“ Eine indirekte Frage also, welche immer dann verwendet wird, wenn man die direkte nicht wagt oder glaubt, auf die direkte keine oder keine ehrliche Antwort zu erhalten.

Die Debatte geht nun darum, ob ein Talkmaster also seinen Gast, eine Escort-Dame, fragen darf, ob sie als Kind sexuell missbraucht worden sei. – Nein, finden die einen, diese Frage sei übergriffig. Und die Betroffene ging noch einen Schritt weiter: Für sie insinuierte der Kontext, dass Schawinski meinte, sie sei von ihrem Vater sexuell missbraucht worden. Warum: Zwei Fragen vor der diesigen ging es in dem Gespräch um den Vater der Escort-Dame.

Auf jeden Fall ging ihr die Frage so nahe, dass sie sich anschliesslich auf dem Weg zurück nach Deutschland am Flughafen betrinken musste. Und in ihrer Kolumne in der WELT (unterdessen gelöscht und nicht mehr abrufbar) schwere Vorwürfe gegen Schawinski erhob, er habe sie gefragt, ob sie von ihrem Vater sexuell missbraucht worden sei. Als das Transkript der Sendung dann erbrachte, dass Schawinski die Frage so nicht gestellt hatte, liess die Chefredaktion der WELT den Text umgehend löschen und trennte sich von der Kolumnistin.

Was ist davon zu halten? Nichts. Zum einen: Wer sich auf eine Talkshow wie SCHAWINKSI einlässt, muss sich bewusst sein, was ihn oder sie erwartet. Die Frage, ob es Prostituierte gibt, welche sich aus gänzlich freien Stücken und bei völliger psychischer Gesundheit für diese Arbeit entscheiden, ist eine Frage, die schon länger diskutiert wird und durchaus eine gewisse Relevanz besitzt, insbesondere bei der Frage, wie eine Gesellschaft mit dem Thema Prostitution umgehen sollte.

Ironischerweise vertritt die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer seit Jahren die These, freiwillige Prostituierte gebe es nicht und häufig seien Prostituierte in der Kindheit missbraucht worden – manchmal, ohne sich dessen bewusst zu sein. Schawinski, ansonsten nicht eben Schwarzers Busenfreund, griff mit seiner Frage also deren These auf.

Die Escort-Dame auf der anderen Seite stellt sich auf den Standpunkt, es sei diskriminierend, ihr (und ihresgleichen) diese Unterstellung zu machen.

Nun, nach Definition kann die Frage wohl diskriminierend nicht sein, denn das hiesse, das aufgrund eines Merkmals eine Minderwertigkeit unterstellt würde. Das ist hier kaum der Fall. Kann es traumatisierend oder entwürdigend sein, immer wieder mit diesem Vorurteil konfrontiert zu werden? – Das wohl durchaus.

Nur eben: Wer das gleissende Scheinwerferlicht sucht, darf sich nicht wundern, wenn auch unangenehme Fragen gestellt werden. Das zu tun ist nachgerade die Aufgabe von Medienschaffenden. Und als Gast besteht immer die Möglichkeit, eine Frage nicht zu beantworten – idealerweise mit einer guten Begründung, warum man auf diese Frage nicht eingehen wolle.

Ein Kritikpunkt bleibt allerdings: Wenn nur schon eine solche Frage dazu führt, dass die Escort-Dame anschliessend im Alkohol Zuflucht finden muss, sei die Frage erlaubt, wie es um ihre psychische Gesundheit tatsächlich steht. Und was Menschen mit einer lädierten Psyche in einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen TV zu suchen haben.