Der 3. Mai ist der Tag der Pressefreiheit. Und die ist in Gefahr – heisst es hier und dort. Oft genug ist der Vorwurf allerdings ein Ablenkungsmanöver einer Presse, die mit Kritik nicht umgehen kann. Ein Beispiel aus Österreich.
ORF-Moderator Armin Wolf hat dort vor kurzem in einem Interview mit einem FPÖ-Spitzenkandidaten für die Europawahlen den rhetorischen Zweihänder bemüht und eine Karikatur einer FPÖ-Jugendsektion mit Karikaturen aus dem nationalsozialistischen Hetzblatt STÜRMER verglichen. – Ein doch eher undifferenzierter, um nicht zu sagen: absurder Vergleich, wie auch Rainer Stadler in der NZZ findet.
– Der Vergleich war eingeworfen in der Berichterstattung zum Wahlkampfauftakt für die EU-Wahlen, die kritisierte Karikatur offenbar schon über ein Jahr alt – mit anderen Worten: Der Vorhalt in dem Interview keine journalistische Grosstat, sondern wohl eher ein untauglicher Versuch, den harten politischen Journalisten-Macker zu geben – was immer dann nichts bringt, wenn es, wie in diesem Beispiel, zum Selbstzweck wird.
Der Repräsentant der rechtsgerichteten österreichischen ÖVP behielt in dem Interview die Contenance, kritisierte aber Wolf für die Interviewführung scharf und verlangte nach „Konsequenzen“. Wolf müsse abgesetzt werden, hiess es in der Folge von Seiten der Freiheitlichen, FPÖ-Repräsentanten legte ihm ein „Sabbatical“ nahe.
Der Vorfall wird nun gerne als Beleg für die bedrohte Pressefreiheit ins Feld geführt. Rubina Möhring, die Österreich-Chefin der NGO Reporter ohne Grenzen, beklagt im STANDARD das „autokratisches-Politsystem Österreichs“ und wie „Bedenkliches“ geschehe im Lande. – Selbstredend bezieht sie sich dabei nicht auf die journalistische Fehlleistung, sondern auf die Kritik durch die FPÖ. Auch das ZDF doppelt in einem Beitrag mit dem Titel „FPÖ gegen Pressefreiheit“ nach. Der Beitrag erschliesst die Schlagzeile zwar nur mittelbar, indem dargestellt wird, dass die FPÖ die Entlassung Wolfs fordere. Die Journalistin Colette M. Schmidt darf ferner aussagen, ganze Medien und einzelne Journalisten würden „auf den Internetseiten von Regierungsmitgliedern massiv angegriffen“ und es werde dazu aufgerufen, ihnen etwas anzutun.
Nun, falls dem so ist: Das wäre in der Tat ein starkes Stück – ein Aufruf zu einer Straftat ist auch in Österreich ein Delikt, das strafrechtlich verfolgt werden müsste. Und erst Recht, wenn der Aufruf auf einer Facebook-Seite eines Regierungsmitgliedes erfolgt. Allein: Das ZDF verpasst es, der Aussage Schmidts nachzugehen und sie zu verifizieren. Mutmasslich bezog sich Schmidt wohl auf einen Vorgang, der in der WIENERIN in diesem Artikel beschrieben wird. Dabei soll die steirische Jugendorganisation der FPÖ – und nicht etwa ein Regierungsmitglied, wie Schmidt insinuiert – dazu aufgerufen haben, der Journalistin die Meinung zu geigen – wofür ihre E-Mail-Adresse beim STANDARD veröffentlicht wurde. Der Vorfall wurde in anderen Medien als Aufruf zum „Mobbing“ qualifiziert. Mobbing? Oder gar ein Aufruf, ihr etwas anzutun?
Dass wir uns richtig verstehen: Es gibt klare Grenzen, die in jedem Fall zu respektieren sind. Verletzungen der Persönlichkeitsrechte gehen gar nicht, schon gar nicht Verletzungen der körperlichen Integrität. Das Strafrecht setzt mit den entsprechenden Gesetzesartikeln klare Grenzen. Wer die nicht einhält, soll sanktioniert werden – das steht ausser Streit, wie man in Österreich zu sagen pflegt.
Man mag argumentieren, es falle insbesondere in die Verantwortung von politischen Parteien, das auch klar zu kommunizieren und nicht ein Klima zu schaffen, in dem die Dümmeren der eigenen Anhängerschaft diese Grenzen nicht mehr klar zu erkennen vermögen. Dieser Argumentation mag ich einiges abzugewinnen. Nur sind die Medien die falschen Absender dafür, denn gerade die in der Vergangenheit immer zugespitztere und auf Skandalisierungen bedachte Medienberichterstattung hat nicht unwesentlich zu diesem Klima beigetragen.
Gerade der ZDF-Beitrag zeigt aber eines: Wenn es um die eigene Sache geht, verlieren viele Medienschaffende gerne das nötige Differenzierungsvermögen und die Distanz zum Objekt der Berichterstattung, die sie ansonsten regelmässig verlangen. Aussagen von Berufskolleg/innen wird dann nicht genauer nachgegangen, dafür ist sofort von politischer Einflussnahme und den Versuchen die Rede, die Medienschaffenden „mundtot“ machen zu wollen, wenn an den Leistungen der Medienschaffenden Kritik laut wird.
Das Muster zeigt deshalb vor allem eines, nämlich dass die Medien, die sich gerne als vierte Gewalt im Staate sehen, enorm dünnhäutig sind. Während viele Medienschaffende aus der – auch in Österreich – durch die Verfassung garantieren Pressefreiheit alle möglichen verbalen Attacken auf die Vertreter/innen der ersten und zweiten Gewalt im Staate, nämlich der Legislativen und der Exekutiven geschützt sehen, reagieren sie mimosenhaft, wenn sie selbst und ihre Arbeit Gegenstand von Kritik werden. In ihren Kommentarspalten den Rücktritt von Magistraten zu fordern, wenn diese – in den Augen der Journalisten – versagt haben und ihnen Lügen zu unterstellen, wird als legitimer Anspruch verstanden, wenn die Repräsentanten eben dieser Staatsgewalten für mediale Fehlleistungen Konsequenzen fordern, dann wird theatralisch die Abschaffung der Pressefreiheit moniert.
Die Redewendung sagt: Wer die Hitze nicht erträgt, hat in der Küche nichts verloren. Das sollten sich viele der Medienschaffenden zu Herzen nehmen, die in jeder Kritik gleich eine Beleidigung und die Abschaffung der Pressefreiheit sehen. Denn mit Verlaub: Das ist Unsinn. Genau so wie der Vorwurf, es werde versucht, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen. – Warum: Weil solche Versuche schon immer und von allen Seiten stattgefunden haben und weiter stattfinden. Nur die Mittel sind unterschiedlich: Die einen drohen offen und direkt, die anderen versuchen es mit subtileren Methoden der Manipulation. Von Journalistinnen und Journalisten, welche diesen Namen verdienen, wäre zu erwarten, dass sie solchen Beeinflussungsversuchen widerstehen.
Nötig wäre es hingegen, sich der Kritik zu stellen und eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. Das verunglückte Interview von Wolf in der ZIB 2 ist aber kaum irgendwo ein Thema. Und wenn die Medienschaffenden sauber gearbeitet haben, sollte es für Frau Schmidt auch kein Problem darstellen, den Vorwurf einer lügenhaften Berichterstattung mit Fakten und Belegen auszuräumen. Wir machen uns dann als Leserschaft gerne selbst ein Bild, welche Darstellung uns nun mehr überzeugt.
PS:
Am 1. Mai wurde der WELTWOCHE-Journalist Alex Baur an Rande der 1. Mai-Kundgebungen in Zürich von Vermummten tätlich angegriffen, nachdem er als Vertreter der (politisch rechtsaussen positionierten) WELTWOCHE identifiziert worden war. Der WELTWOCHE wird von linker Seite regelmässig politische Hetze vorgeworfen. Von gefährdeter Pressefreiheit war in diesem Kontext nirgends zu lesen.
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