Hoppla, da geht es aber ab seit Montag. Seit Valon Behrami per Twitter mitgeteilt hat, dass seine internationale Karriere zu Ende sei und in einem Interview mit dem Tessiner Fernsehen mächtig gegen die Verantwortlichen der Nationalmannschaft beim Schweizerischen Fussballverband nachgetreten hat.

Die Geschichte, gemäss Behrami: Petkovic, der Trainer, habe ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass er nicht mehr mit ihm plane. Die Geschichte, gemäss SFV: Petkovic habe verschiedenen Spielern mitgeteilt, dass er in den nächsten Spielen auch Jungen eine Chance geben wolle und sie deshalb nicht einsetzen werde. Endgültig sei aber nichts entschieden.

Dazu dann viel Beigemüse und Frust von Seiten des Spielers: Das sei ein politischer Entscheid, wettert Behrami, und überhaupt sässen im Verband viele Funktionäre, die nie Fussball gewesen waren und die Gefühle der Athleten nicht nachvollziehen könnten.  Petkovic demgegenüber (gemäss verschiedenen Zeitungsberichten): Nein, kein politischer Entscheid, sondern allein sein Trainerentscheid.

Es ist ein veritables Sommertheater, was da abgeht und macht den vielen Freilichtspielen im Lande heftig Konkurrenz.

Medien-Mainstream-Meinung, gestützt von den Fachleuten der Krisenkommunikation: Katastrophale Kommunikation, typisch Fussballverband, der Trainer ist sowieso ungenügend und muss weg.

Blödsinn.

Zunächst: Was wissen wir denn schon? Offenbar hat ein Fussballtrainer mit mehreren seiner Spieler telefoniert. Einem von ihnen ist das Telefonat in den falschen Hals geraten. Ob es wirklich nur 30 Sekunden gedauert hat und warum nur solange, ist eine einseitige Darstellung, für die wir keine Belege haben. Und offenbar gibt es ein Missverständnis über dessen Inhalt: Der Empfänger der Botschaft behauptet, er sei aus der Mannschaft gekippt worden. Der Sender der Botschaft dementiert.

Stellt sich die Frage: Darf ein Nationaltrainer einen Fussballer anrufen, um ihm telefonisch mitteilen, er werde ihn für die nächsten Spiele nicht mehr aufbieten, weil er einmal ein paar Nachwuchsspieler ausprobieren will?

Ich meine: Ja.

Und wenn das Telefongespräch tatsächlich nur 30 Sekunden gedauert hat?

Auch dann können wir das ohne weitere Vorkenntnisse nicht beurteilen. Dauerte der Anruf wirklich nur 30 Sekunden? Dann müsste man Petkovic wohl tatsächlich den Vorwurf machen, nicht eben sensibel kommuniziert zu haben. Denn in 30 Sekunden sind die Überlegungen, die den Trainer zu diesem Schritt bewogen haben, wohl tatsächlich kaum zu vermitteln. Und ist es insbesondere wohl kaum möglich, die Reaktion des Gegenübers abzuholen und sicherzustellen, dass die Nachricht auch angekommen ist. Denn gedacht ist noch nicht gesagt, gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden. Was aber, wenn Petkovic das Thema „Karriereplanung“ mit Behrami schon früher und im direkten Gespräch angesprochen hatte? Wenn das, was von allen (Fussball-, nicht Kommunikations-) Experten ja praktisch unisono als richtig beurteilt wird, dass nämlich Petkovic auch in die Zukunft schauen und sich Personalüberlegungen für die nächsten zwei bis vier Jahre machen muss, schon längst zu solchen Gesprächen mit den älteren Stammspielern geführt hatte und Petkovic jetzt eigentlich nur noch mitteilen wollte: Schau, ich will das, was wir einmal angesprochen hatten, in den kommenden Spielen jetzt umsetzen? In dieser Situation wäre auch für mich ein Telefonat absolut ausreichend gewesen.

Und wenn es so gewesen wäre, wie es Behrami darstellt: Darf ein Nationaltrainer einen Nationalspieler, der 13 Jahre für das Team gespielt hat, per Telefon und ohne Vorwarnung darüber informieren, dass er diesen nicht mehr für weitere Spiele der Fussballnationalmannschaft aufbieten wird und damit seine Karriere als Nationalspieler zu Ende ist?

Ich meine Nein. Sollte es tatsächlich so gewesen sein, ist denjenigen beizupflichten, die heute verlangen, Petkovich hätte das persönliche Gespräch mit Behrami suchen müssen. Eine faktische Entlassung teilt man nicht telefonisch mit. Genau weil am Telefon die Reaktion des Gegenübers zuwenig gut eingeschätzt und aufgefangen werden kann (Wer’s nicht glaubt: George Clooney zeigt die Problematik im Film „Up in the air“ exemplarisch auf.)

Nur denn: Wie es wirklich war, wissen wir nicht, und niemand von denjenigen, die heute urteilen und Richter spielen, haben das Gespräch mitgehört und kennen die näheren Umstände.

Eine Frage aber bleibt – und die stellt bislang niemand:

Darf – oder soll  – ein Profi-Fussballer, der gemäss Internet im Jahr 2012 im Jahr 1.4 Millionen Franken Gage kassiert, einen Ferrari fährt und der Jugend ein Vorbild sein soll, nach einem 30-sekündigen Telefonat seinen Emotionen freien Lauf lassen und per Twitter und TV-Interview gegen seine Bosse nachtreten?

Natürlich kann man der Haltung ein: Alle Verantwortung für die Kommunikation – und damit auch für das Versagen in der Kommunikation und Missverständnisse – geht immer von den Vorgesetzten aus, denn die Vorgesetztenrolle verlangt es eben, so zu kommunizieren, dass keine Missverständnisse oder „Bad Feelings“ entstehen, die sich dann wie vorliegend entladen.

Mir persönlich geht das zuweit. In meinem Menschenbild trägt auch der Empfänger einer Nachricht eine Verantwortung für das Gelingen der Kommunikation. Dazu gehört beispielsweise, beim Gefühl, unfair oder respektlos behandelt worden zu sein, sich zunächst mit dem direkten Gegenüber auseinanderzusetzen, statt sich über Twitter und TV zu beschweren. Von einer Leaderfigur, wie sie Berahmi sein möchte, würde man das zumindest erwarten