Mit einigen Wochen Abstand zum Ereignis lohnt sich der Blick zurück auf ein Ereignis, das in der Folge bis in diese Woche die Medien beschäftigte. Es geht um den Mord am Basler Medienanwalt Martin Wagner.
Wagner wurde am Sonntagmorgen des 28. Januar gemäss Erkenntnissen der Untersuchungsbehörden von von einem Nachbarn mit drei Schüssen niedergestreckt. Das Motiv, soviel liessen sich die Behörden entlocken, liege im privaten Bereich.
Innert kurzer Zeit mutmassen in der Folge verschiedene Medien, das Opfer hätte eine Beziehung mit der Ehefrau des Täters gehabt. In der Folge lassen die Söhne des Opfers per superprovisorischer Verfügung dem BLICK verbieten, über diesen Aspekt des Themas zu berichten – die entsprechenden Artikel sind online und auch in der Mediendatenbank nicht mehr zu finden. – Alleine, ist eine solche Information erst einmal publiziert, lässt sie sich genau so wenig zurücknehmen wie sich ein Stück Zahnpaste wieder in die Tube zurückbugsieren lässt.
Die Medien konzentrieren sich in der Folge auf andere Aspekte: INSIDEPARADEPLATZ.CH findet heraus, dass der Täter Mitarbeiter, und konkret: Risikomanager bei der Nationalbank war. Mit dem in den Medien bereits zitierten Namen „Martin G.“ und der Ortsangabe Rünenberg lässt sich so via Handelsregistereintrag recht schnell der volle Name des Täters recherchieren. Was nicht zuletzt deshalb problematisch ist, als in der kleinen 800-Seelen-Gemeinde Rünenberg ausgerechnet noch ein zweiter (verheirateter) Mann mit exakt gleichem Namen lebt und im Telefonbuch angezeigt wird, während die tatsächlich betroffene Familie eine andere ist (und z.B. auf local.ch nicht angezeigt wird). Das erschliesst sich allerdings erst durch einen Artikel von Alex Baur in der WELTWOCHE (nur für Abonnenten), welcher den Klarnamen der Frau des Täters publiziert. Mit diesen Informationen lässt sich nun der exakte Wohnort mitsamt Telefonnummer durch Google recherchieren.
Interessant an der Berichterstattung: Die Motivfrage, die wohl in sehr private Gefilde führt, wird von verschiedenen Medien aufgegriffen. Der erwähnte Artikel auf INSIDEPARADEPLATZ.CH provozierte 71 Kommentare, und am meisten Zustimmung erhielten diejenigen, welche den Autor für das Schnüffeln in privaten Belangen rüffeln. Nur: Sie alle haben den Artikel dennoch angeklickt.
Scheinheilig auch Guy Krneta auf INFOSPERBER.CH. Der Autor gibt vor, die Nachrufe auf Wagner zusammenfassen zu wollen, muss dann aber doch einen Abschnitt über die Berichterstattung zum Tatmotiv einschieben, in dem er beispielsweise auf den erwähnten WELTWOCHE-Artikel verweist und sich damit genau so wie viele andere die Neugier des Publikums zu Nutzen macht – auch wenn er in der Folge den Kollegen Peter Knechtli offen kritisiert, der in seinem Artikel auf ONLINEREPORTS.CH Verständnis für das Interesse des Publikums am Tatmotiv empfindet und die These aufstellt, es werde erst Ruhe einkehren können, wenn zu der Frage Transparenz herrsche. Auch Knechtli wird in den Leser/innen-Kommentaren für seine Ausführungen kritisiert, aber auch hier müssen sich die Forumsschreiber wohl die Frage gefallen lassen, warum sie denn den Text überhaupt angeklickt hatten.
Als Fazit bleibt: Peter Knechtli liegt wohl nicht falsch mit seiner Einschätzung: Dramen wie der Mord an Wagner lassen das Publikum nicht ruhen und provozieren die Frage nach dem Warum. Diese Neugier ist wohl zutiefst menschlich. Die Frage ist dann alleine, wie die Medien damit umgehen. Und hier zeigt sich: viele können der Versuchung nicht widerstehen.
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